Tiere by Nataša Dragnić & Michael Köhlmeier & Monika Helfer & Root Leeb & Franz Hohler & Rafik Schami

Tiere by Nataša Dragnić & Michael Köhlmeier & Monika Helfer & Root Leeb & Franz Hohler & Rafik Schami

Autor:Nataša Dragnić & Michael Köhlmeier & Monika Helfer & Root Leeb & Franz Hohler & Rafik Schami
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: ars vivendi verlag, ars, vivendi, ars vivendi, Verlag, Franken, Cadolzburg, Kurzgeschichte, Kurzgeschichten, Shortstory, Shortstorys, Erzählungen, Märchen, Belletristik, Rafik Schami, Tiere, Tier, Tierwelt, Franz Hohler, Monika Helfer, Root Leeb, Michael Köhlmeier, Nataša Dragnic, Natasa Dragnic, Sechs Sterne, Sechs-Sterne-Reihe, Reihe Sechs Sterne, Vogel, Vögel, Eisvogel, Kammtrogon, Löwe, Heinrich der Löwe, Hirschkäfer, Schlange, Schlangen, Wolf, Gorilla, Metamorphosen, Schnecke, Schnecken, Affe, Schwein, Schaf, Hund, Hunde, Schäferhund, Hirtenhund, Katze, Kater, Katzen, Zoohandlung, Fisch, Fische, Hamster, Papagei, Kanarienvogel, Schildkröte, Fengg, Fenggen, Gaschurn, Kärnten, Friedlach, Braunschweig, Rimbach, Bamberg, Deutschland, Österreich, Schweiz, Musik, Liebe, Einsamkeit, Feinleinen, farbiges Vorsatzpapier, Lesebändchen
Herausgeber: ars vivendi verlag GmbH & Co. KG
veröffentlicht: 2016-02-16T16:00:00+00:00


Das Ungeheuer

Sie wollte nie ein Haustier. Dann war es einfach da. Nein, sie hatte es nicht von Freunden bekommen, geschweige denn sich selbst ausgesucht. Es hatte sie aufgesucht. In der Nacht vor dem ersten Tag bei ihrer neuen Stelle. Sie war seit Langem einmal wieder zu vernünftiger Zeit ins Bett gegangen. Ja, man ist vielleicht ein bisschen nervös und sieht Gespenster, Dinge oder Wesen, die gar nicht da sind, dachte sie. Man macht sich zu viele Gedanken. Spielt schon einmal alles durch, wie man neben dem Chef durch die Büros geht, überall vorgestellt wird, wie man lächelt (nicht übertrieben, aber doch so, dass man signalisiert, dass man ein umgänglicher, teamfähiger Mensch ist), und man stellt sich vor, wie die anderen auf eine reagieren.

Und dann saß es da. Sie hatte das Licht schon gelöscht, nur von der Straße fielen noch ein paar weiße Strahlen durch die Ritzen der Jalousien, und genau da saß es. Erst dachte sie, es sei ein ER, ein Einbrecher. Wie er da so an ihrem Schreibtisch saß, den Sessel weit zurückgeschoben, in nach vorne gebeugter Haltung, die ihn fast ein wenig bucklig aussehen ließ, einfach schauerlich. Dann sah sie, dass die Ohren oben am Kopf angewachsen waren und spitz aus den dunklen Haaren ragten. Sie hielt sich ganz still, obwohl sie vor Angst beinahe zerfloss. Sie hörte nicht einmal ihren Atem, nur ihr Sessel, der ja jetzt seiner war, knarzte. Ziemlich laut sogar. Und sie roch ihn. Nicht einmal unangenehm, aber fremd. Es dauerte, bis er sich zu ihr umdrehte, als ob er die ganze Zeit gewusst hätte, dass sie da lag. Und dass sie wach war. Sie sah, dass er kein Mensch und daher wohl auch kein Einbrecher war (zumindest hatte sie noch nie von einbrechenden Tieren gehört). Also ein ES. Es hatte gelbe Augen, ein sepiabraunes Fell – und es hatte eine Stimme. Dunkel, ein wenig knarzend, sagte es etwas. Sie verstand nicht. Der Melodie nach war es wohl eine Frage. Sie hielt sich weiter ganz still. Da schaute es sie einfach an. Es schien Zeit zu haben. Sie nicht, sie sollte jetzt wirklich schlafen, um für den nächsten Tag fit zu sein. Wie wirkte das denn, wenn sie gleich am ersten Tag mit schwarzen Ringen unter den Augen erschien! Und die würde sie bekommen, das wusste sie. Sie war so ein Typ: ein bisschen zu wenig Schlaf, und schon sah sie aus, als hätte sie die ganze Nacht gehurt, gekifft und gesoffen und womöglich dazu eine aufs Auge bekommen. Denn unerklärlicherweise platzten bei zu wenig Schlaf auch noch Äderchen im rechten Auge und ließen sie sehr heruntergekommen aussehen.

Sie wurde also zunehmend nervöser, sagte aber immer noch nichts. Es dagegen nach einer Weile schon. Es klang genau wie das zuvor Gesagte, aber vielleicht irrte sie sich auch, und es war ein neuer Versuch. Es wartete. Sie auch. Dann stand es auf und kam zu ihrem Bett. Da wollte sie schreien und sterben gleichzeitig, doch dann sah sie, dass es gar nicht unfreundlich war. Es setzte sich vor ihr Bett.



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